Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

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Blue Ice Ultra
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Für Beamte besteht per se keine Krankenversicherungspflicht, so dass das Beihilferecht NRW hier auch nicht zwingend eine KV fordert. Da gibt es kein Stichtagsdatum.

Der § 12 Abs. 4 BVO NRW hat einen anderen Hintergrund als Du vermutest. Es geht um Fälle mit einem so.g. Risikoausschluss. Also Krankheitskosten für die Behandlung der Erkrankung X sind von der Erstattung durch die PKV vertraglich ausgeschlossen worden. So. z.B. Suchterkrankungen bei Vertragsschluss, also Erkrankungen die auch zukünftig Kosten in nicht unbeträchtlichem Umfang verursachen.

Zu Deinen Fragen:

1. Eine ausreichende Versicherung ist anzunehmen, wenn sich aus den Versicherungsbedingungen ergibt oder offenkundig ist, dass die Versicherung in den üblichen Fällen stationärer oder ambulanter Krankenbehandlung wesentlich zur Entlastung des Versicherten beiträgt. Eine rechtzeitige Versicherung liegt z.B. vor, wenn sie im Zusammenhang mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis abgeschlossen wird.

2. Kann man machen, ist aber vor dem zeitlichen Horizont aus meiner Sicht unsinnig. Im übrigen gibt es eine Öffnungsklausel für Beamte die bisher nicht privat krankenversichert gewesen sind (z.B. für die Debeka) wonach Risikoausschlüsse gar nicht vereinbart werden sondern maximal mit einem Risikozuschlag von 30% bedacht.

3. Nein, ich halte es bei einer PT für eher fraglich ob seitens der PKV ein Risikoausschluss vorgenommen wird. Im übrigen glaube ich nicht das vor dem Hintergrund der Öffnungsklausel die Beihilfestelle einem entsprechenden Antrag stattgeben wird. In der Regel werden die Erhöhungen der Bemessungssätze nach § 12 Abs. 4 BVO NRW nur in ganz wenigen Ausnahmefällen genehmigt, und Dein dürfte definitiv nicht dazu gehören (s.o.).
dondebile
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von dondebile »

Der 12 (4) meint eigentlich folgenden Sachverhalt:
Du bist in einer privaten KV und diese schließt bestimmte Leistungen (z.B. Psychotherapie) für Dich aus und Du kannst diese Leistungen auch nicht durch Zahlung einer Risikoprämie versichern. Dies ist die sogenannte Aussteuerung der PKV.

Das dürfte auf Deinen Dall nicht zutreffens, sofern Du bereits eine Anwartschaftsversicherung hast.
Gerda Schwäbel
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Gerda Schwäbel »

Nachdem ich diese Broschüre https://bestellungen.pkv.de/w/files/bro ... n_2012.pdf nochmal gelesen habe, teile ich Ihre Auffassung, dass die Öffnungsklausel für Sie nicht in Betracht kommt. Beim Taktieren möchte ich Ihnen § 193 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ans Herz legen. Absatz 3 regelt die allgemeine Krankenversicherungspflicht (auch für Beamte), deren Existenz so gerne geleugnet wird, Absatz 4 die Folgen eines verspäteten Vertragsabschlusses.
Die Komplettfassung des VVG gibt es hier zum Anklicken: http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf

Viele Grüße
Gerda Schwäbel
Blue Ice Ultra
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Gerda Schwäbel hat geschrieben:Nachdem ich diese Broschüre https://bestellungen.pkv.de/w/files/bro ... n_2012.pdf nochmal gelesen habe, teile ich Ihre Auffassung, dass die Öffnungsklausel für Sie nicht in Betracht kommt. Beim Taktieren möchte ich Ihnen § 193 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ans Herz legen. Absatz 3 regelt die allgemeine Krankenversicherungspflicht (auch für Beamte), deren Existenz so gerne geleugnet wird, Absatz 4 die Folgen eines verspäteten Vertragsabschlusses.
Die Komplettfassung des VVG gibt es hier zum Anklicken: http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf

Viele Grüße
Gerda Schwäbel
Dann wäre ich mal auf Ihre Interpretation zu folgendem Satz aus § 193 Abs. 3 VVG interessiert:

" Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die 2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung."

Meines Erachtens besteht die von Ihnen propagierte Versicherungspflicht nämlich trotzdem nicht.
Gerda Schwäbel
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Gerda Schwäbel »

HopSing hat geschrieben:... Das ist aber eine harte Nuss, da ich kaum daraus lesen kann, ob nach meiner Pensionierung die Versicherungspflicht besteht. ...
Dann versuche ich es zu erklären: Die allgemeine Versicherungspflicht ergibt sich aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG:
Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, ... für sich selbst ... eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst ... abzuschließen und aufrechtzuerhalten."
Von den Befreiungsvorschriften in § 193 Abs. 3 Satz 2 trifft die Nr. 2 auf Sie zu:
Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die ... Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung ...
Von der Verpflichtung sind Sie also derzeit vollständig befreit; ab dem Zeitpunkt der Versetzung besteht die Befreiung nur noch zu 70 Prozent.

Was solch eine Versicherung mindestens beinhalten muss, steht auch in Satz 1:
... die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5 000 Euro begrenzt ist, ...
Den Begriff "Selbstbehalt" haben Sie wahrscheinlich falsch verstanden (mir ging es jedenfalls bei meinen ersten Leseversuchen im VVG so). "Selbstbehalt" ist nicht das, was irgendwie an Ihnen hängen bleiben kann, sondern Ihr vertraglich festgelegter Eigenanteil. Erst nachdem tariflich erstattungsfähige Kosten in mindestens der Höhe des Selbstbehaltes entstanden sind, erfolgt eine Erstattung darüber hinausgehender Kosten durch den Krankenversicherer. Es gibt Selbstbehalte mit festen Beträgen und prozentuale Selbstbehalte. Er darf aber im Ergebnis (für ambulante und stationäre Heilbehandlung) nicht mehr als 5.000 € im Jahr betragen.
Bei Beamten und Versorgungsempfänger sind Tarife mit Selbstbehalt eher selten. Um die Erstattung von kleineren Beträgen und den damit zusammenhängenden Personalaufwand einzuschränken, werden bei uns üblicherweise Anreize wie garantierte Rückerstattungen geboten, die dann wie ein Selbstbehalt wirken.

Ich habe wenig Erfahrung mit Versicherungsrecht, hoffe aber, dass ich trotzdem etwas helfen konnte.

Viele Grüße
Gerda Schwäbel
Gerda Schwäbel
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Gerda Schwäbel »

Blue Ice Ultra hat geschrieben:Dann wäre ich mal auf Ihre Interpretation zu folgendem Satz aus § 193 Abs. 3 VVG interessiert:" Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die 2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung." Meines Erachtens besteht die von Ihnen propagierte Versicherungspflicht nämlich trotzdem nicht.
Ist schon erledigt!
Viele Grüße
Gerda Schwäbel
Gerda Schwäbel
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Gerda Schwäbel »

HopSing hat geschrieben:Es ist folgender Passus aus dem §193 Abs. 3, der mich irritiert:...
Das bedeutet, dass bei Ihrer 30-Prozent-Verpflichtung der Selbstbehalt 30 Prozent von 5000 €, also 1.500 € betragen darf.
HopSing hat geschrieben:Dennoch weiß ich, dass es relativ aktuelle Urteile gibt, die der Beihilfe untersagen, ihre Leistung von der Existenz einer Zusatzversicherung abhängig zu machen. Da das Versicherungsgesetz ja Bundesrecht ist, müsste es ja für alle Bundesländer gleichermaßen gelten. In diesem Bereich ist ja nix mit Föderalismus. Ich muss mich mal auf die Suche dieser Beiträge und Urteile machen und hier darauf verweisen; dann wird es vielleicht klarer, warum ich diesbezüglich recht unsicher bin.
Selbstverständlich gibt es ein solches Urteil. Das ist vom 19.07.2012 und hat das Aktenzeichen V C 1/12. Das untersagt es aber nicht "der Beihilfe" "ihre Leistung von der Existenz einer Zusatzversicherung abhängig zu machen". Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet die Regelung in der bisherigen BBhV als unwirksam, weil die Ermächtigung dazu im Bundesbeamtengesetz bzw. (hier war es ein Berliner Landesbeamter für den die BBhV auch angewendet wird) im Landesbeamtengesetz von Berlin fehlt. Für Sie als Landesbeamter NRW ist das aber völlig uninteressant, weil in "Ihrer" Beihilfeverordnung gar keine entsprechende Ausschlussregelung drin ist.

Ihr Problem ist kein beihilferechtliches sondern ein versicherungsrechtliches! Wenn Sie sich beim Eintritt in den Ruhestand nicht versichern, sondern erst zwei Jahre später, müssen Sie trotzdem die Beiträge der letzten beiden Jahre nachzahlen und zusätzlich die in § 193 Abs. 4 VVG festgelegte Strafzahlung von dann 9 Monatsbeiträgen. Meine Befürchtung war, dass Sie sich dieser Zahlungsverpflichtung von rund 33 Monatsbeiträgen (ohne Gegenleistung) nicht bewusst sind. Wenn Sie meinen ersten Beitrag nochmal anschauen, dann werden Sie sehen, dass ich Ihnen nur nahegelegt hatte, diese Informationen in Ihre Überlegungen einzubeziehen.

Viele Grüße
Gerda Schwäbel
Gerda Schwäbel
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Re: Beihilfe NRW und krankenversicherungspflicht

Beitrag von Gerda Schwäbel »

HopSing hat geschrieben:... Sie sind aber ganz schön schlau - oder ich extrem blöd, kann auch sein. ...
Danke, aber wahrscheinlich trifft keine der beiden Möglichkeiten zu. Das Recht ist höchstkompliziert und ich bin vermutlich etwas geübter darin, mich mit solchem Mist rumzuschlagen.
Ich habe gerade die beiden Urteile quergelesen. Darin gibt es (soweit ich sehe) überhaupt keine Zweifel an der Versicherungspflicht; die Richter vertreten (nur) die Auffassung, dass das Land zu diesem Bundesgesetz (dem VVG) keine zusätzlichen (über die Strafbeitragszahlungen des § 193 Abs. 4 VVG hinausgehenden) Sanktionen regeln darf.

Die ganze ablehnende Justiz-Front gegen die Beihilfesanktionen nützen Ihnen nichts, weil es diese Sanktionen in NRW nicht gibt.

Bedenken gegen das VVK sind aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit - mangels Zuständigkeit - auch gar nicht zu erwarten. Die müssten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit kommen (AG, LG, OLG) und vom Bundesgerichtshof bestätigt werden. (Meine Datenbank hat zu diesem Thema heute keine Treffer ausgespuckt.

Das mit dem Bestandsschutz der Bundesbeamten kann ich nicht ganz einordnen; ein BMI-Erlass zur Beihilfe kann ja schließlich das VVG nicht aushebeln. Ich glaube, ich habe den Erlass in irgendeinem Ordner vollständig drin, könnte ihn mir also im Zusammenhang durchlesen; im Moment habe ich aber den festen Vorsatz, mein Büro nicht vor dem 7. Januar zu betreten.

Viele Grüße
Gerda Schwäbel
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