Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

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Paragraphenreiter100
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Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Hallo zusammen!

Ich bin schon seit ein paar Jahren "Gastleser" und möchte nun mit einem Problem an euch herantreten, mit dem ich gerade konfrontiert bin.

Ich war jetzt ein paar Jahre in der staatlichen Sozialverwaltung (Bereich Familienleistungen) als Beamter im gehobenen Dienst in Bayern tätig. Dort habe ich auch meine Ausbildung absolviert. Nun habe ich mich auf eine Stelle bei einem Landratsamt beworben, diese bekommen und auch vor ein paar Wochen angetreten. Darüber habe ich mich sehr gefreut, da es eine heimatnahe Tätigkeit war. Ich wurde dort im Bereich Immissionsschutz/ Bodenschutz im Bauamt eingesetzt. Also eine absolut fachfremde Tätigkeit, die nicht meiner Ausbildung entspricht und von der ich bis dahin noch nie etwas gehört habe. Das wäre alles halb so schlimm, wenn ein Kollege zum ausreichenden Einarbeiten da wäre und es Fortbildungen gäbe. Fortbildungen stehen terminlich erst in der Mitte des nächsten Jahres zur Verfügung. Der Kollege, der mich einarbeiten sollte, war seit meinem ersten Tag krank und wird in absehbarer Zeit nicht mehr kommen. Eine zweite Person, die sich da auskennt gibt es nicht, da es sich nur um ein kleines LRA handelt und die meistens Posten im Bauamt nur mit einer Person besetzt ist. Es gibt nur noch zwei Ingenieure für die Gutachten. Im Büro herrscht Chaos. Die Akten sind kreuz und quer abgelegt. Keine gleicht der anderen. Ein Muster in den Akten ist für mich nicht erkennbar. Wie das Büro von meinem Vorgänger organisiert wurde, ist mir auch unklar. Die beiden Ingenieure wissen das auch nicht. Mein neuer Chef/Abteilungsleiter auch nicht. Den scheint das nicht weiter groß zu interessieren. Kurz gesagt: Ich bin total überfordert ohne Hilfe. Ich würde mir eine Art "Mentor" wünschen, der mich eine Zeit begleitet und mir Sicherheit gibt. So war es bei meiner alten Behörde auch und war dort selbstverständlich.

Ich habe daher in meiner Verzweiflung um ein Gespräch mit der Personalabteilung, dem Abteilungsleiter und dem Sachgebietsleiter gebeten. Ich wollte Hilfe zur Lösung des Problemes. Dafür habe ich auch ein paar Vorschläge präsentiert. Ich habe darum gebeten, dass mein Vorgänger vielleicht einmal ein paar Tage vorbeischaut und mir sein Büro erklären muss, wenn er dazu imstande ist. Vielleicht auch telefonisch zur Verfügung steht. Zudem habe ich um eine fachliche bzw. praktische Qualifizierung gebten. Entweder sollte ich an ein anderes LRA abgeordnet werden zur Einarbeitung oder jemand wird zu mir abgeordnet von einem anderen LRA. Dazu müsste man an die zuständige Bezirksregierung herantreten. Das wurde zurückgewiesen. Dafür gäbe es keine Leute (Woher will man das wissen, ohne wenigstens einmal anzufragen??). Auch so wurde mir keine Hilfe angeboten. Es ging eher nach dem Motto "Drei gegen einen". Die Ingenieure wüssten über alles Bescheid, was aber nicht stimmt und sie mir auch schon gesagt haben. Dort könnte ich fragen. Ich solle mich "quasi jetzt nicht so haben". Das bekäme ich schon mit der Zeit hin. Was die Ingenieure sagen würden, stimme nicht (Wer hat jetzt Recht??). Allgemein wurde meine Lage als "halb so wild" dargestellt. Vielleicht bekommt man meinen Vorgänger irgendwann einmal ans Telefon. Das Gespräch lief also ohne Ergebnis.

Das die Lage "halb so wild" ist, ist defintiv nicht der Fall. Nach Rücksprache mit den Ingenieuren stehen dringende Entscheidungen und Termine an. Teilweise treten Fiktionen ein. Die beiden sind aber sehr nett und sind voll und ganz auf meiner Seite. Viel machen können sie aber auch nicht.

Für mich ist das jetzt eine sehr belastenden und niederschmetternde Situation. Am ersten Tag war ich noch hochmotiviert. Davon ist jetzt nichts mehr geblieben. Was soll ich jetzt machen? Den Personalrat ins Boot holen? Eine Überlastungsanzeige stellen wegen den Haftungsfragen? Wenn alle Stricke reißen, das Landratsamt wieder verlassen?

Für Ratschläge wäre ich dankbar!
sdh1807
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von sdh1807 »

Also als Bundesbeamter ist man so breit ausgebildet, dass man in jedem Gebiet eingesetzt werden kann (Wie das bei Landesbeamten ist weiß ich natürlich nicht).
Als Beamter im gehobenen Dienst sollte man sich auch schnell in ein neues Gebiet einarbeiten können (unterstelle ich einfach mal auf Grund des Bildungsstandes).

Soweit das Wunschdenken des Dienstherren.

Sicher ist es unschön, wenn niemand da ist um Sie einzuarbeiten. Immerhin bietet Ihnen der Dienstherr Qualifizierungsmöglichkeiten, wenn auch ein bisschen spät.
Es wird Sie nicht trösten, aber Sie sind da nicht der einzige, der einen neuen Dienstposten antritt mit dem Satz: "Hier ist der Schlüssel für das Büro, ihr Vorgänger ist aber schon seit letzter Woche weg."
Paragraphenreiter100
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Danke für die Antwort! In Bayern ist Ausbildung des geh. Dienstes in verschiedene Ausbildungsbereiche aufgesplittet (Innere Verwaltung, Justiz etc.). In diesen Bereichen erhält man auch eine umfangreiche Ausbildung. In meinem Fall in allen Sozialgesetzbüchern. Ein Beamter des Inneren wird so ausgebildet, dass er z.B. an Gemeinden oder Landratsämtern vollumfänglich einsetzbar ist. Genau diese Ausbildung habe ich nicht. Es kann schon sein, dass der Bund hier eine andere Linie fährt. Das weiß ich nicht. Fachfremde Leute gab es an meiner alten Behörde immer wieder.Jedoch war dies nie ein Problem, da es ausreichend Leute gab, die diese Personen eingearbeitet haben.
Paragraphenreiter100
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Auf der Position hier waren schon 5 Leute in den letzten 10 Jahren. Ihre Aussage erklärt so einiges. Die Gründe dafür basieren eher auf dem Hörensagen der Kollegen hier. Daher will ich nicht darauf eingehen. Warum der Abteilungsleiter hier Hilfe von Außen nicht will, haben mir die Kollegen auch gesagt. Dazu erstmal kein Kommentar.
Torquemada
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Torquemada »

Paragraphenreiter100 hat geschrieben:Auf der Position hier waren schon 5 Leute in den letzten 10 Jahren. Ihre Aussage erklärt so einiges. Die Gründe dafür basieren eher auf dem Hörensagen der Kollegen hier. Daher will ich nicht darauf eingehen. Warum der Abteilungsleiter hier Hilfe von Außen nicht will, haben mir die Kollegen auch gesagt. Dazu erstmal kein Kommentar.
Na dann....Das war wohl der Griff ins Klo......
Dass du dich als Spezialist für Sozialrecht auf so eine Stelle beim Landratsamt beworben hast, ist erstaunlich. Da schaut man sich vorher die Struktur an bzw. macht mal freiwillig einen halben Tag mit. Dann wäre dir das Theater jetzt wahrscheinlich erspart geblieben.
Paragraphenreiter100
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Ich habe mich nicht explizit auf die Stelle im Bauamt beworben. Mit meiner Qualifikation wäre mir das nicht in den Sinn gekommen. In der Stellenausschreibung (War bei der Bezirksregierung ausgeschrieben) war davon auch nicht die Rede, sondern nur, dass allgemein ein Beamter gesucht würde, ohne genauen Einsatzbereich. Mein Einsatz stand erst kurz vorher fest. Meine Versetzung war da unter Dach und Fach. Die Personalabteilung hat mich einfach zugeteilt. Beim Vorstellungsgespräch hat man mir mehrere Möglichkeiten (Personal, Jugendamt, Bauamt etc.) genannt, für die man mich evtl. zuteilt. Ich habe gesagt, dass ich zu allem bereit bin, habe aber auch gesagt, dass ich z.B. für das Bauamt keine Vorqualifizierung mitbringe. Das war für sie kein Problem. Ich habe mir natürlich in meiner Naivität nichts dabei gedacht. Ich habe in den Monaten vorher immer nachgehackt, wo mein Einsatzbereich denn jetzt ist. Da gab es immer wechselnde Antworten. Auch hier war ich naiv, gebe ich zu. Damit hatte ich einfach noch keine Erfahrung, da es mein erster Stellenwechsel war.
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Speedito
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Speedito »

freshair hat geschrieben:...da kann man nur sagen. Willkommen in der Kommunalverwaltung!

...die wirkliche "Front" gibt es nur hier...das ist für gewechselte Bundes- und Landesbamte des öfteren ein kleiner Kulturschock :mrgreen:
100% Zustimmung :lol: wobei es bei einer kleinen Gemeinde mit 4000 Einwohnern und 7 Mitarbeitern nochmal "interssanter" ist :twisted:

Und sich, ohne zu Wissen in welchem Bereich man eingesetzt wird, zu bewerben / eine Stelle anzunehmen... :shock:
Paragraphenreiter100
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Es war ja auch eine Anlernung hier geplant. Wenn die Person krank ist, kann ich nichts dafür. Da habe ich einfach zu wenig Erfahrung gehabt. Aber das man nichtmal einen Plan B bereit hat, ist schon erstaunlich. Aber so läuft es halt an den Kommunen, wie ich hier höre. Friss oder Stirb. Na ja, dann gilt ab sofort für mich, dass jeder sich selbst der Nächste ist.
Florek
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Florek »

Die Stellenausschreibungen bei den Regierungen für die Landratsämter sind oft tatsächlich sehr allgemein gehalten, da heißt es "der Einsatzbereich erstreckt sich auf das gesamte Tätigkeitsfeld eines Landratsamtes" wozu nun zweifelsfrei auch der Immissionsschutz gehört. Daß es keinen Kollegen zur Einarbeitung gibt ist natürlich suboptimal, daß nicht sofort Schulungen zur Verfügung stehen dagegen eher normal, weil weder FHÖVR als auch Verwaltungsschule diese speziellen Kurse natürlich nicht dauernd anbieten! Da heißt es learning by doing, mal Kontakt mit den Kollegen der Nachbarlandratsämter aufnehmen, auch mal bei der Regierung anrufen, viele Fragen lassen sich telefonisch klären oder auch per E-Mail, anders wird es nicht gehen, optimal ist es nicht, aber so läuft es oft!
Paragraphenreiter100
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Re: Ohne Einarbeitung in neuer Tätigkeit

Beitrag von Paragraphenreiter100 »

Das werde ich auf jeden Fall versuchen. Die Leute bei der Regierung sind so und so schon genervt von meinen Anrufen. Aber angeblich würde das nichts bringen, da die das ganz unterschiedlich machen würden. Langsam frage ich mich jedoch, wo ich hier gelandet bin. Aussagen von Kollegen geben mir seehr zu denken.

Jeder Mensch ist halt nicht gleich. Ich bin halt ein anderer Typ und hätte halt gerne andere Voraussetzungen. Aber da meinen Vorgesetzten die Lage egal ist, ist es mir auch. Das Problem wurde angesprochen. Im Unklaren habe ich sie nicht gelassen. Im Zweifel kann das noch wichtig sein. In meinen Augen ist das eine klare Verletzung des Fürsorgeprinzips. Zu was das führen kann, habe ich schon mal erlebt.

Trotzdem strecke ich jetzt meine Fühler nach anderen Stellen aus. Nur zur Sicherheit. Evtl. werde ich doch noch umgesetzt. Es könnte sich hier vielleicht noch etwas ergeben. Wenn es gar nicht mehr ginge, würde ich zurück zu meiner alten Behörde gehen.

Danke für die Beiträge!
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