Gerda Schwäbel hat geschrieben:... Wenn auf einem Bescheid keine oder keine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung drauf ist, dann verlängert sich die Rechtsbehelfsfrist auf "ein Jahr". ...
Ich hoffe, dieser Satz ist verständlich. Ganz streng genommen stimmt nur das Ergebnis, nicht aber die Wortwahl. Die Gesetzessystematik ist ein wenig anders:
Die Frist für ein Rechtsmittel ... beginnt nämlich nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist (§ 58 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Bescheides zulässig (§ 58 Abs. 2 VwGO).
Hier gibt es aber überhaupt keinen anfechtbaren Bescheid, weil überhaupt keine Versetzung ausgesprochen wurde.
"papa_joe" hat kürzlich die Laufbahnprüfung für den mittleren Dienst in der Steuerverwaltung erfolgreich abgelegt und ist damit kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeschieden.
Er hat ein Einstellungsangebot bekommen und dieses angenommen. Das Einstellungsangebot war ein Paket, das aus "Beamter auf Probe, Besoldungsgruppe A 6, Dienstort Weitwegstadt" bestand. Lieber wäre er in Hierburg beschäftigt gewesen, wo er den Vorbereitungsdienst geleistet hat, dies wurde ihm aber nicht angeboten, weil es in Hierburg überhaupt gar keine Stelle zu besetzen gibt. Die Stellen in Hierburg sind nämlich sehr beliebt; glaubt man den Gerüchten, dann gibt es in diesem Bundesland nur zwei Gruppen von Menschen: Solche, die in Hierburg arbeiten und solche, die da gerne arbeiten würden. Deswegen haben Beamtenanwärter keine realistische Chance, gleich nach der Laufbahnprüfung in Hierburg zu beginnen. Und deshalb war hier auch gar keine soziale Auswahl zwischen mehreren neueinzustellenden Beamten zu treffen. Eine Abwägung zwischen "langjährigem Mitarbeiter" und "neueinzustellendem Beamten" kommt jedenfalls nicht in Betracht. Oder würde es dem Gerechtigkeitsempfinden von irgendjemandem hier entsprechen, wenn die OFD jetzt einen langjährigen Mitarbeiter wegschickt, um einen "Neuen" im Wunschamt unter zu bringen?
Bei diesem Sachverhalt gibt es also keine Versetzungsverfügung, die mit einem Widerspruch angreifbar wäre. Und deshalb steht unter der Einstellungsverfügung auch keine Rechtsbehelfsbelehrung. Es gab zwei Möglichkeiten, entweder papa_joe akzeptiert das Gesamtpaket oder nicht, Einwände wären in Form der Verweigerung der Entgegennah-me der Ernennungsurkunde möglich gewesen, sind aber in dieser Form offenbar nicht vorgetragen worden.
Jetzt bleibt also nur noch der Antrag auf Versetzung nach Hierburg, dem entsprochen werden kann, sobald eine für ihn in Frage kommende Stelle frei ist. Aufgrund seiner so-zialen Kriterien (verheiratet, Kinder, behinderte Angehörige) kann das schon vergleich-bar schnell der Fall sein. Er zieht ja damit vermutlich an mehreren seit vielen Jahren auf ein Vorrücken auf der Warteliste "Versetzung nach Hierburg" wartenden Kollegen vorbei, die nicht verheiratet oder kinderlos sind.
Papa_joe hat sicher eine sehr gute steuerrechtliche Ausbildung genossen. Über die Frage, ob die OFD zusätzliches Personal einstellen könnte, wenn sie wollte, brauchen wir uns aber keine Gedanken zu machen. Ich halte es für fahrlässig, zu behaupten, dass die OFD Ihren Spielraum nicht ausnutzen würde. Wer das bestreitet hat offenbar keine Ahnung von Personalbearbeitung und davon, welche Probleme die Oberfinanzdirektion dadurch hat, dass ihr die Volksvertretung im Land nur eine ganz konkret bestimmte Anzahl von Planstellen zur Besetzung zur Verfügung stellt. Die Annahme, dass diese Anzahl durch die OFD beliebig erweiterbar wäre, ist weltfremd.
Also, lassen wir doch mal die Kirche im Dorf. Hier ist überhaupt nichts Verwerfliches passiert. Papa-joe hat die Hinweise auf den möglichen künftigen Dienstort - wie so viele vor ihm - nicht ernst genommen, wurde dann aber von der Realität eingeholt und muss jetzt damit leben, dass das Ganze kein Wunschkonzert ist.
Würde ich einen solchen "Widerspruch" auf den Tisch bekommen, würde ich ihn als "Versetzungsantrag" umdeuten!
Viele Grüße
Gerda Schwäbel