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ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 1. Mai 2017, 18:12
von defraubeckham
Meine Tochter hat erfolgreich den Einstellungstest bei der Polizei gemeistert.
Nun steht die ärztliche Untersuchung an.
Die erste Frage bereitet mir ein wenig Bauchschmerzen:
Sind bei Eltern, Geschwistern oder nahen Verwandten Selbstmord vorgekommen?

Der Vater meines Mannes hat sich vor 20 Jahren umgebracht. Müssen wir das angeben? Kann das bereis ein aus für die Tauglichkeit sein?

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 1. Mai 2017, 21:05
von Torquemada
Also liebe Leute.
Das sind ja Fragen, die wie die nach Schwangerschaft und Familienplanung bei korrekter Beantwortung die Gefahr einer Diskriminierung haben und deshalb verboten sind bzw. falsch beantwortet werden dürfen.

Wenn der Opa (den die junge Dame vermutlich gar nicht gekannt hat) Suizid begangen hat, sind das Dinge, die oftmals im Familienkreis gar nicht so näher erläutert werden bzw. im unklar formulierten Bereich rumwabern.
Mein Vater hat auch erst im fortgeschrittenen Alter erfahren, dass sich seine Oma das Leben genommen hat.
Ich finde es bedenklich bzw. skandalös, hier einen jungen Menschen nach obskuren Vererbungslehren unter Verdacht zu stellen.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 06:44
von defraubeckham
Danke für deine Antwort Torquemada

Die Tochter hat Ihren Opa nicht kennengelernt. Wie du schon schreibst war das nie ein Thema in der Familie. Die Tochter weiß davon aber das belastet sie nicht und für uns ist das Thema auch abgeschlossen.

Leider gibt es dann einen Passus: Verschweigen usw. kann die Entlassung aus dem Polizeidienst nach sich ziehen.

Der Selbstmord ist sicher in einer Akte der Polizei vermerkt, oder? Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass natürlich auch die Polizei vor Ort war.

Oh Mann - was machen wir bloß?

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 08:21
von Torquemada
Die Poizei betreibt also illegale Ahnenforschung? So mit Ariernachweis vergeichbar?
Finde ich jetzt, was die Ebene der Großeltern betrifft, unmöglich bzw. grenzwertig.
Müsste man juristisch klären, ob diese Frage diskriminierend ist und somit unbeachtlich ist.
Was sagt eigentlich das Innenministerium dazu?

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 14:56
von Baumschubser
Ich bezweifle stark, dass die Polizei einen wahrscheinlich 20-25 Jahre zurückliegenden Selbstmord heranziehen wird. Zumal er für deine Tochter absolut irrelevant ist, da es vor ihrer Geburt passierte. Als Toter wäre er für mich kein enger Verwandter mehr, sie hat ihn nur als Toten erlebt. Ende der Geschichte. Nein ankreuzen und gut ist.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 18:25
von defraubeckham
Danke für deine Antwort baumschubser.
Wir sind hin und her am überlegen. Unsere Tochter kannte Ihren Opa nicht - wie geschrieben 20 Jahre her.
Ist liegen auch keine weiteren Depressionen oder Nervenerkrankungen in der Familie vor (noch diesen Erkrankungen wird auch gefragt).
Ansonsten konnten wir jede Frage mit einem gutem Gefühl beantworten nur bei diesem Punkt.

Es darf doch nicht sein, das meine Tochter das wirklich schwierige Auswahlverfahren schafft und Ihr der Selbstmord des Opa´s dann einen Strich durch die Berufsplanung macht.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 19:19
von Torquemada
Richtig. Es kann nicht sein, dass hier in verquaster NS-Medizinfamilientheorie einem jungen Menschen die Beamtenlaufbahn verbaut wird, weil ein Vorfahre Suizid begangen hat. Zumal wir gar nicht wissen, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat.

Juristisch wäre zu klären, ob diese Frage als verbotene Frage zu werten ist und somit falsch beantwortet werden kann.
Unklar ist auch, auf welchen Kreis der Verwandten sich die Frage überhaupt bezieht.

Ich würde hier entweder juristischen Rat einholen (ist aber wohl nicht erforderlich) oder knallhart NEIN ankreuzen, weil man den unbekannten Vorfahren gar nicht zum gefragten Personenkreis zählt und sich im Zweifelsfall später immer auf "politische" Art rechtfertigen kann.

-"Habe ich gar nicht in dieser Art gewusst"
- "Wurde tabuisiert, woran der gestorben ist..."

Was soll denn bitte passieren?

Stellen wir uns mal vor, deine Tochter kippt angenommen mit 30 psychisch aus den Latschen und kann nicht mehr arbeiten UND erzählt dann ihrem Therapeuten und Amtsarzt, dass sie seit der Pubertät immer "kreisende Gedanken" über den nicht bekannten Opa und dessen Suizid hatte.

Dann würde im schlimmsten Fall das Land NRW versuchen, die Ernennung zur Beamtin wegen arglistischer Täuschung zurück zunehmen. Dann käme es zum Rechtsstreit, ob sie damals die Frage falsch beantworten durfte.
Das wäre aber der "worst case".....
Warum sollte z.B. ein junger Mensch nicht Poizeibeamter werden dürfen, weil sich der Vater z.B. umgebracht hat?
Das käme einem durch das Grundgesetz untersagten Berufsverbot gleich.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 2. Mai 2017, 19:27
von Bananen-Willi
Leute, ich glaube ihr verkennt hier etwas die Ausgangslage. In einem Vorstellungsgespräch wäre eine solche Frage in den meisten Fällen unzulässig. Unter Umständen aber auch nicht. Um einmal die allseits beliebte Schwangerschaftsfrage als Beispiel heranzuziehen: Eine Frau bewirbt sich an einer Tankstelle als Verkäuferin. Wird hier nach einer Schwangerschaft gefragt, muss die Frage richtig beantwortet werden, da hierfür ein Beschäftigungsverbot besteht.

Aber hier geht es nicht um ein Vorstellungsgespräch, sondern um eine ärztliche Untersuchung. Auch der polizeiärztliche Dienst darf die Erkenntnisse aus der Untersuchung nicht an die Einstellungsbehörde weitergeben. Er hat ausschließlich nach eingehender Untersuchung...und dazu gehört auch die Anamnese... lediglich eine Bewertung über die Eignung abzugeben, also im wesentlichen "für eine Einstellung geeignet" oder "nicht geeignet". Um eine möglichst zutreffende Bewertung treffen zu können, sind solche Angaben, im Gegensatz zum Vorstellungsgespräch bei der Personalstelle, wahrheitsgemäß zu beantworten. Wer sagt denn, dass hier ein Ja sofort den Ausschluss bedeutet? Es kommt auf die Gesamtwürdigung der Untersuchung an...wird hier gelogen, kann das später bei Feststellung zur sofortigen Entlassung führen, sogar noch nach Verbeamtung auf Lebenszeit.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 3. Mai 2017, 21:14
von Tyto
Auch der polizeiärztliche Dienst darf die Erkenntnisse aus der Untersuchung nicht an die Einstellungsbehörde weitergeben.
Hast du hierfür eine Quelle? Habe damit nämlich andere Erfahrungen gemacht.

Re: ärztliche Untersuchung für Einstieg in den Polizeidienst

Verfasst: 3. Mai 2017, 22:20
von Bananen-Willi
Grundlage für die Untersuchung ist die PDV300. Diese gibt die Rahmenbedingungen vor, unter denen der Polizeiarzt über "Polizeidiensttauglich" oder "nicht Polizeidiensttauglich" zu befinden hat, der früher noch mögliche Befund "eingeschränkt Polizeidiensttauglich" wurde nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abgeschafft. Nur dieser Befund darf der Einstellungsbehörde mitgeteilt werden, jedoch nicht die Details der Untersuchung. Ob das im Einzelfall auch so von den Polizeiärzten beachtet wird, entzieht sich wohl nicht nur meiner Kenntnis, weil "Mauscheleien" , wenn es sie denn gibt, wohl im Geheimen ablaufen. Rechtlich jedoch ist dies dem Polizeiarzt schwerlich möglich, da auch er unter die ärztliche Schweigepflicht fällt. Hier mal eine Definition aus einem willkürlich gegoogelten Merkblatt zu dieser, auch alle anderen von mir gefundenen Dokumente sagen im Wesentlichen dasselbe:
Ärztliche Schweigepflicht bedeutet, dass ein Patient sich darauf verlassen kann, dass die persönlichen Themen, die er seinem Arzt anvertraut, nicht an Dritte weitergegeben werden. Sie gilt grundsätzlich über den Tod hinaus. Ausnahmen sind nur die Entbindung durch den Patienten selbst oder gesetzliche Vorschriften, die eine Entbindung erlauben oder sogar vorschreiben.

Neben dem Recht auf Selbstbestimmung ergibt sich die ärztliche Schweigepflicht aus dem Behandlungsvertrag mit dem Arzt, dem Strafgesetzbuch („Verletzung von Privatgeheimnissen“), den Berufsordnungen (BO) der Landesärztekammern ((Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte), dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie den Datenschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer.

Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht können für den Arzt oder das Krankenhaus straf-, berufs- (durch die Ärztekammer) und zivilrechtliche Folgen (Schadensersatzansprüche durch den Patienten) haben. Nicht nur der Arzt, sondern auch das behandelnde Personal im Umfeld des Arztes (Arzthelferin, Krankenschwester usw.) unterliegt der Schweigepflicht. Sie gilt auch für die Ärzte, die der Betroffene per Verfügung aufsuchen musste, z.B. Betriebsarzt, Vertrauensarzt, Polizeiarzt.
Anders sieht es allerdings aus, wenn der zu Untersuchende dem Arzt eine Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht erteilt. Inwieweit das in den jeweiligen Bundes- bzw. Landesbestimmungen zu Einstellungsuntersuchungen grundsätzlich normiert ist, entzieht sich meiner Kenntnis.