Das Beamtentum

Das Beamtentum: Staatlicher Segen oder Geldverbrennung?



Der Beamtenapperat in Deutschland zählt rund 1,9 Millionen Menschen. Dem Staat muss also viel daran gelegen sein, ihm wichtige Aufgaben an Bürger zu verteilen, die ihm direkt unterstellt sind. Aufgrund der dadurch entstanden Privilegien ist dieser Beruf daher in vielen Bevölkerungsschichten verschrien. Umso mehr wird es Zeit, aufzuräumen mit Vorurteilen, einen Vergleich zu anderen Ländern zu wagen und die Funktionalität des Beamtentums einmal genauer zu durchleuchten.

Eine Definition

Zwischen dem Staat und dem Beamten existiert ein Treuverhältnis. Somit wird dem Bediensteten Vertrauen entgegengebracht, dass er beispielsweise mit dem Einstehen für die freiheitliche Demokratie zurückzahlen muss. Das Vertrauen ist wichtig, da einem „Staatsdiener“ oft Aufgaben zugeteilt werden, deren Erfüllung kaum überprüft werden können. Ein Lehrer schließlich muss sich nicht gewissenhaft auf den Unterricht vorbereiten und ein Streifenpolizist kann auch shoppen gehen anstatt seiner Route zu folgen und erhält trotzdem das gleiche Gehalt. Die Folge: Die Unkündbarkeit führt zu einem Imageverlust.

Geschichte

Die Ursprünge des Beamtentums reichen bis in die Antike zurück. Bereits zu Beginn der Entwicklung moderner Staatsordnungen wie im Alten Ägypten oder dem Römischen Reich wurden die Vorteile eines dem Staat direkt unterstellten Bediensteten erkannt. Weil Beamten ihrem Dienstherren bereits damals bedingungslos folgen mussten, erhielten sie im Gegenzug die Aussicht auf lebenslanges Gehalt. Damit wurden die Grundzüge des heutigen Beamtentums wohl bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. entwickelt.

Vorläufer unseres modernen Beamtensystems waren die Fürstendiener in Europa im Spätmittelalter. Weil sich der Wandel zwischen einer glaubensorientierten Ordnung hin zu einem weltlichen Staat vollzog, musste auch dieser Apparat reformiert werden. Beamten waren nun zu noch größerem Gehorsam verpflichtet, dafür wurde die Altersvorsorge geregelt.

Entstehung in Deutschland

In der Neuzeit vertrat Friedrich II., der Sohn von Friedrich Wilhelm I., die Auffassung, dass das Bürgerwohl zum primären Ziel des Staates erklärt werden müsse. Daher intensivierte er die Bemühungen, ein solides Beamtensystem zu kreieren, um den Lebensstandard der Menschen zur Staatsaufgabe zu machen.

Die Französische Revolution trug ebenfalls einen großen Teil zum weiteren Ausbau des Beamtenapperates bei. In diesem Zusammenhang wurden die Pflichten des „Staatsdieners“ auch juristisch festgelegt. Schnell vollzog sich in Deutschland dieselbe Entwicklung.

Während des Nationalsozialismus kam dem Beamtentum noch mehr Bedeutung zu: Durch die vorausgesetzte Staatstreue sorgten die Beamten für die Aufrechterhaltung der „deutschen Einheit“, da sie nach den damaligen Geboten und Gesetzen zu handeln hatten. Das führte 1933 zur Aufhebung des Beamtenstatus bei zahlreichen jüdischen Beamten.

Nach dem zweiten Weltkrieg lösten die Alliierten das Beamtensystem erst einmal auf, um den Wiederaufbau des Staates nicht durch das nationalistische Gedankengut zu gefährden. Nach kurzer Zeiten wurden allerdings zahlreiche Beamte, darunter auch Hitler-Verbündete, wieder aufgenommen, da der Personalbedarf sonst nicht hätte gedeckt werden können.

Das „Problem“ mit Privilegien

Warum die Staatsdiener oder zumindest die Größe des Beamtenapperates oftmals kritisiert werden, liegt auf der Hand: Sofern Beamter keine minderen Verbrechen begehen oder gegen das Gesetz verstoßen, sind sie unkündbar. Selbstverständlich, dass so manch ein Bürger sich deshalb benachteiligt fühlt. Die bereits angesprochenen Aufgaben, sich auch außerhalb der Arbeitszeit seiner den Staat repräsentierenden Rolle bewusst zu sein und stets ein Vorbild auf sozialer Ebene zu sein sowie den Beruf selbst gewissenhaft auszuüben, kann kaum nachgewiesen werden. Aus diesem Grund wird regelmäßig der Vorwurf erhoben, dass Lehrer nur aufgrund der lebenslangen Jobsicherheit den Beamtenstatus anstreben und kaum, weil sie die Herausforderung reizt, Kinder im Falle des Lehrerdaseins auf die moderne Arbeitswelt einzustellen.

Zwar erhalten einige Beamten in ihrem Berufsfeld ein geringeres Gehalt als in der freien Marktwirtschaft, haben aber aufgrund drohender Arbeitslosigkeit oder Aufstiegsmöglichkeiten weniger Leistungsdruck. Außerdem müssen sich Staatsdiener weniger Gedanken über die Altersvorsorge machen, da sie einen Großteil ihres früheren Gehalts auch im Ruhestand erhält, während der Arbeitnehmer im Schnitt nur rund die Hälfte vorweisen kann.

Der dänische Familientrainer und Erziehungscoach Jesper Juul ist gegenüber der WELT daher stolz, dass es in seinem Land möglich ist, unfähige Lehrer entlassen zu können, da die „erfolgreiche Bildungsreform“ ohne „die Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrer“ sonst nicht möglich gewesen wäre. Hier ist bereits erkennbar, dass andere Staaten die Privilegien des Beamten deutlicher einschränken als Deutschland. Da stellt sich die Frage, warum dem Staat so viel am Beamtenapperat gelegen ist.

Unzuverlässigkeit des Marktes bzw. der Politik

Das Beamtentum hat bei Betrachtung folgender Argumente durchaus Berechtigung. Volkswirtschaftlich gesehen werden Aufgaben oder Berufsfelder verstaatlicht, die zu privatisieren das Wohl der Bevölkerung gefährden würde, da Unternehmen sie entweder verändern, bei fehlendem Gewinn Stellenkürzungen vornehmen oder die Sparte komplett streichen würden. Anders gesagt: Es existieren Berufsbereiche, die für die Erhaltung unseres Wohlstands von enormer Bedeutung sind- aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Volk überlässt der Staat diese nicht der Marktwirtschaft. Dazu gehören Bildung als Fundament unserer Gesellschaft (Lehrer), die Sicherheit (Polizei), die Wahrung der Rechte (Richter), die Förderung des allgemeinen Familienwohls (Jugendamt), die Sicherung des Lebensstandards (Arbeitsamt) und nicht zuletzt die Aufrechterhaltung des Staates selbst durch das Finanzamt.

Was aber könnte geschehen, überließe man derartige Berufsfelder dem freien Markt? Ohne das Beamtentum würden für das soziale Wohl existenzielle Aufgaben nicht mehr oder nur noch unzureichend erfüllt werden, da zum Kapitalismus und der Marktwirtschaft gehören, dass private Unternehmen im Sinne ihres Profits handeln und damit nicht zögern, neue, gewinnbringendere Investitionen zu tätigen sowie das Expandieren verlangsamende Projekte abzubrechen, was beispielsweise Stellenkürzungen miteinschließt. Die Folge: Der private Bürger muss für entstandene Schäden und Missstände aufkommen, wenn beispielsweise Konzerne nicht mehr in Wartung und Instandhaltung investieren und so die Tankstellen langsam undicht werden, weil der zuvor noch verbeamtete Eicher entlassen wurde.Beamte sollen also eine Konstante darstellen, die den Staat repräsentiert, welcher wiederum verantwortlich ist für die Erfüllung langfristiger Interessen der Bürger, unabhängig der aktuell regierenden Politiker, unabhängig der aktuellen großen Bosse aus der Wirtschaft, unabhängig von Trends, welche wenig später schon wieder als unprofitabel diskreditiert werden.

So ist das Beamtentum auch unabhängig von aktuell polarisierenden Politikbewegungen, da Berufsfelder nicht von den kurzen Wahlperioden der Politiker abhängig sind, die nach wenigen Jahren einige Errungenschaften umstürzen oder Branchen kapitalistischer Privatisierung aussetzen.

Ländervergleich

Die Aufrechterhaltung des Beamtenwesens ist also von enormer Bedeutung, nur ist auch das vorhandene Volumen nötig? Schließlich verschluckt der Apperat jährlich viele Steuergelder. Die verantwortlichen Funktionäre des Beamtenapparates rechtfertigen dessen Größe mit einem Vergleich Deutschlands zur allgemeinen Situation in Griechenland. Der langjährige Geschäftsführer des deutschen Beamtenbundes sagte der der WELT einmal, dass ein Staat, der ohne ein mit der Bundesrepublik vergleichbares System wirtschafte, schlussendlich die gleichen Probleme erhalte wie Griechenland: „Da wird keine Grundsteuer eingetrieben, weil es keine funktionierenden Katasterämter gibt. Da wüten Waldbrände, weil die Feuerwehr nicht funktioniert. Da haben Lehrer vor einigen Jahren für eine zwanzigprozentige Lohnerhöhung acht Monate lang gestreikt. Ein ganzer Schülerjahrgang bekam kein Abgangszeugnis, verlor ein Jahr Schulbildung.“ Um eine solche Entwicklung von vorne herein vorzubeugen, investiert der Staat also Millionen in die Aufrechterhaltung des Beamtentums.

Ein Blick nach Österreich verrät, das auch andere europäische Staaten in Sachen Beamten ähnlich verfahren wie Deutschland. Auch hier gelten ähnliche Grundsätze und die Berufsfelder gleichen sich ebenfalls. Die Skination beschäftigt ca. 200.000 Beamte, welche zu den Besserverdienern gehören.

In den USA existiert beispielsweise kein derartiges System wie in einigen europäischen Ländern. Zwar sind Polizisten Arbeiter des „öffentlichen Dienstes“, allerdings keineswegs unkündbar. Ähnlich verhält es sich auch mit anderen juristischen und polizeilichen Instanzen.

Entwicklung in Deutschland

Dennoch wenden sich zahlreiche Kommunen, insbesondere in Ostdeutschland allmählich vom Beamtentum ab und beschäftigen immer weniger Beamte. Ob das allerdings ein finanzieller Gewinn wird, ist sehr umstritten. Ein Grund dafür ist beispielsweise die Unkündbarkeit. Besonders in Schulen wollen die Verantwortlichen die Motivation, mehr Leistung zu bringen, steigern.

Außerdem hat der Staat in den letzten Jahren einige Branchen privatisiert und dem freien Markt überlassen, wie beispielsweise die Deutsche Telekom oder die Deutsche Bundesbahn.

Fazit

Um eine gute Schulbildung aufrechterhalten und Recht sowie die Sicherheit des Bürgers gewährleisten zu können, ist das Beamtentum notwendig, da der freie Markt kein Interesse an solchen Werten sondern lediglich an der Gewinnmaximierung hat. Nichtdestotrotz beginnen manche Politiker allmählich, sich vom Ausmaß des Apperates zu verabschieden. Fragwürdig sind die kaum zu überprüfenden Leistungen, doch weitgehend haben „Staatsdiener“ einen positiven Effekt.